VAS – Verein Arbeitsgruppe Strasshof

Erna Markbreiter – Ein jüdisches Mädchen aus Strasshof

markbreiter

Dieses Foto ist möglicherweise die letzte Spur, die ein damals 9jähriges jüdisches Mädchen aus Strasshof hinterlassen hat. Erna Markbreiter wurde am 25. Oktober 1932 in Wien geboren. Ihre Großeltern Wilhelm und Maria Markbreiter besaßen seit 1928 ein Haus in der Silberwaldstraße, in dem Erna gemeinsam mit ihren Eltern Ignaz und Frieda ihre Kindheit verbrachte. Ihre Großmutter betrieb in dem Haus einen Gemischtwarenhandel.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich wurden das Geschäft und das Gebäude enteignet. Erna musste mit ihrer Familie Strasshof verlassen und in eine sogenannte „Sammelwohnung“ in die Hollandstraße 12/13a nach Wien übersiedeln. Ihre Mutter Frieda starb am 2. April 1938 im Alter von 25 Jahren in der Heil- und Pflegeanstalt Steinhof. Als Todesursache wird eine Lungenentzündung angegeben. Ihr Vater Ignaz versuchte im November 1939 mit einem Flüchtlingstransport über den Balkan nach Israel zu entkommen. Die Flüchtlinge strandeten, nachdem ihnen die Einreise nach Rumänien verwehrt wurde, im jugoslawischen Kladovo, wo sie nach dem Beginn des Balkanfeldzugs wieder unter deutsche Herrschaft fielen. Am 13. Oktober 1941 wurden sämtliche Männer des Flüchtlingstransports von der Wehrmacht erschossen.

Ob Erna am Beginn dieser Flucht noch bei ihrem Vater oder bei ihren Großeltern geblieben war, ist nicht bekannt. Wilhelm und Maria Markbreiter wurden am 10. Oktober 1941 von Wien aus ins Ghetto Litzmannstadt deportiert. Damit verliert sich ihre Spur. Erna gelang es der Deportation zu entgehen. Mit fremder Hilfe dürfte es ihr gelungen sein das Land zu verlassen, denn im selben Jahr taucht ihr Name im Verzeichnis des Waisenhauses im Château le Masgelier, ca. 300km südlich von Paris auf, wo das oben gezeigte Foto aufgenommen wurde. Das Schloss befand sich im noch unbesetzten Teil von Frankreich und wurde von dem OSE (Œuvre de secours aux enfants) einer Organisation zur Unterstützung jüdischer Kinder geführt. Ab 1942 wurde die Lage prekär. Die französische Regierung kollaborierte und in einer ersten Phase sollten vor allem jüdische Flüchtlinge ausgeliefert werden. Mithilfe von republikanisch gesinnten Franzosen konnten die Kinder bei Familien in der Region versteckt werden. Der Résistance gelang es einige der Kinder in die Schweiz zu schmuggeln. Andere wurden jedoch bei Razzien der französischen Gendarmerie aufgegriffen und nach Auschwitz deportiert, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Die überlebenden Kinder brachte man nach der Befreiung Frankreichs nach Israel. Ob Erna Markbreiter überlebte, ist nicht bekannt.

Das Haus in der Silberwaldstraße fiel 1951, nachdem keine Erben ermittelt werden konnten, der Republik Österreich zu.

Wenn heute wieder aus Anlass des Holocaust-Gedenktages der Millionen ermordeten jüdischen Männer, Frauen und Kinder gedacht wird, sollte man nicht vergessen, wo der Weg zum Massenmord begonnen hat: gleich nebenan.

Mit Dank an Frau Ida Olga Höfler ohne deren Werk „Die jüdischen Gemeinden im Weinviertel und ihre rituellen Einrichtungen 1848-1938/45“ es nicht möglich gewesen wäre, diese Geschichte zu schreiben.